Warum ich hinterfrage, ist mit einigen Beispielen schnell begründet:
Nach zahlreichen erfolglosen Aufforderungen an die Klasse eine Antwort zu geben, richtet sich Frau Holden verzweifelt an Alena: „Kommen Sie Alena, sagen sie etwas Gescheites!“ Zwei Wochen später kommt auf die unverhoffte Frage, woran man beim Wort Kolonialismus denke, die Antwort: „an Geschichte!“
Nun gut, kann man sich jetzt denken, dahat sich halt einer einen kleinen Scherz erlaubt mit dieser Antwort. Leider nein. Das war kein Scherz, sondern der verzweifelte (und misslungene) Versuch den Kopf aus der Schlinge eines unfreiwilligen Aufrufs von Britta Holden zu ziehen. (Gäll Jonas? ;.))
Plötzlich hört man aber auch Aussagen wie: „Habe ich Sie das vorhin schon gefragt? Manchmal rede ich eben mit Ihnen, wenn Sie nicht da sind.“, was sogar ernsthaften Zweifel an der Intelligenz unserer Lehrer aufkommen lässt. (natürlich ebenfalls by Britta Holden) Einzig an WAPs Intelligenz, habe ich nie gezweifelt; dass sein Kopf einem Schwamm gleicht, hat er ja hier schon preisgegeben. (Die Lehrer munkeln, seine Sitzungsprotokolle seien meist schon vor der Sitzung fertig.)
Nein jetzt im Ernst: Ist nicht die Formel E=mc^3 die treffendste Beschreibung für uns Kantischüler? Nach Aussen halten wir das Bild von einem souveränen Auftritt aufrecht, ernten Hochachtung (selten aber auch Verachtung) für unser Dasein und bei genauerem Hinschauen... Ja bei genauerem Hinschauen würde man erkennen, dass wir gerade ein Buch analysieren, das ¾ der Klasse nicht gelesen hat, dass man gerade nur neu formuliert, was ein Mitschüler bereits vor 5 Minuten gesagt hat oder noch schlimmer, dass man gerade wiederholt, was einem der Lehrer schon letzte Woche erzählt hat, dieser selbst es aber vergessen hat.
Gewisse Antwortschemen lassen sichnun mal auf fast alle Fragen anwenden. So wie Miss USA sich immer den Weltfrieden wünscht, kann man in der Mathe zum Beispiel, wenn der Lehrer insistiert, „Ja das sollten Sie wissen!“, immer '0' als Antwort präsentieren (cosinus von 90° ist Null, ln1 ebenfalls, Ableitungen und spezielle Gleichungsformen auch immer gleich Null setzten usw.), In der Geschichte resultieren Veränderungen dafür immer aus Unzufriedenheit und Hunger, in der Physik führen wir alles auf den Energieerhaltungssatz zurück und in der Psychologie ist bestimmt die Kindheit schuld. (Oder das Tabu, mit Betonung auf dem 'a')
Eigentlich langweilt sich der Kantischüler in 80% des Unterrichts zu Tode (oder wartet täglich 8 Stunden lang auf den Bus), denn interessieren tut ihn nämlich nichts, wirklich etwas lernen kann man an der Schule ebenfalls nicht und darüber, ob ihm der Schulstoff für die Zukunft etwas bringen wird, müssen wir gar nicht diskutieren.
Warum also sollte man seinen Kopf am Morgen einschalten, wenn man auch einen Vortrag halten kann, ohne auch nur im geringsten eine Ahnung vom Erzählten zu haben? Man kann einmal versuchen irgendeine Antwort zusammen zu basteln, für die man gerade aus dem Plakat an der Wand seine Inspiration gezogen hat. Solange niemand etwas merkt? Oder zumindest nichts sagt.
Wenn es dann doch einmal geschieht, dass das Wissen von uns Kantischülern auf die Probe gestellt wird, sieht das dann etwa so aus: Ein Fragebogen wird ausgeteilt, mit dem Thema: Wie informiert sind Maturanden über Politik?. Grosse Anspannung herrscht. Frage eins: Nennen sie alle sieben Bundesräte. Grosses Aufschnaufen, das klappt gerade noch. Frage zwei: Welcher Partei gehören die bei Frage eins aufgezählten Politiker an? Erste Schweissperlen bilden sich. Blocher, das schaffen noch alle, Leuenberger okay, aber Leuthard!? Ein Flüstern geht durch die Reihen, keiner will es wagen die erlösende Antwort preiszugeben, keiner scheint es zu wissen. Man berät sich, spekuliert, diskutiert, irgendwann ist man sich einig und alle notieren die richtige Antwort. (CVP) Die Auswertung des Fragebogens: Kantischüler sind über die aktuelle politische Situation der Schweiz bestens informiert. Zumindest dann, wenn sie den individuellen Fragebogen im Plenum ausarbeiten können.
Und irgendwie schaffen wir es dennoch unseren Mythos nach Aussen so zu pflegen, dass ich in der richtigen Welt von richtigen Menschen (richtige Welt für Kantischüler siehe die Kommentare hier) ein grossäugiges „WOW“ ernte, wenn ich erzähle, dass ich Kantischülerin bin.
Was muss man mit einer eidgenössisch anerkannten Matur wissen, damit man sich im Ernstfall nicht blamiert? Ich bin für ein Ranking.
Michi
6 Kommentare:
Nun ja, du hast unseren Alltag schön beschrieben. Daran sieht man auch, was wir wirklich lernen: Uns irgendwie durchzuschlagen,-schummeln,-formulieren. Nicht ganz unnütz, in der Berufswelt wie auch im Privatleben.
Was das Image nach aussen anbelangt: Vor ein paar Wochen war ich an einer Grillparty, als ein (um einiges älterer) Bekannter fragte: "Was ist eigentlich eine Metapher?" Nun ja, um das zu erklären muss man sich an die Anfangszeit an der Kanti (bzw. FMS) zurückerinnern. (Manchmal kann sogar dieses Vorhaben schwer fallen, doch die Metapher hat uns nun wirklich bis zum guten Ende begleitet.) Nach einer kurzen Erklärung und einer zweiten (als der Fragende fragte, ob es jetzt eine Metapher sei, wenn er das Vollkornbrot Stein nenne) sagte eine Tischnachbarin: "Du bist heute so gescheit.."
Ich wusste nicht recht was ich davon halten sollte. Ob ich sonst dumm bin, oder ob ich mich als Kantischülerin fühlen sollte (was wirklich nicht immer angenehm ist).
Das beste ist, dass man sich als Kantischüler seiner eigenen Dummheit (Ja Dummheit) bzw, Unfähigkeit und Lustlosigkeit ja meist 100% bewusst ist und niemand sonst schuld ist (ok in den meisten Fällen...). Eine grosse Qualität die man in der Kantonsschule lernt ist tatsächlich die hohe Kunst der Mogelei. Dazu noch ein bisschen Schein und Sein, eh voilà.
PS: Ich habe mir vor einem Jahr das Buch "Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat" (ja das gibts wirklich) und habe es BIS HEUTE nicht gelesen, nicht einmal aufgeklappt. Ich denke dies qualifiziert mich als Kantischüler.
Nicht schlecht. :-) Was das Mogeln anbelangt: siehe auch Eintrag "Klassenbuch".
Nachtrag zum ersten Kommentar: Gestern traff ich wieder diese Person, die mich damals als so gescheit bezeichnete aufgrund meines Wissens über eine Metapher. Ihre Begrüssung war "Hey Anna-Wikipedia!".
Sie wird im August mit mir dieselbe Lehre beginnen. Vielleicht sollte ich mir schonmal ein paar zusätzliche Hobbys zutun, für den Fall, dass ich plötzlich in der Schule unterfordert wäre. Das wäre mal was ganz Neues, ich bin schon sehr gespannt.
Anna-Wikipedia gefällt mir noch…
Ok, da will ich also spät aber doch, noch einen zweiten Anlauf nehmen. Ich habe mich ja schon geoutet als Blogniete (Wer gibt mir eine Nachhilfestunde?)
Zu meiner Verteidigung sollen Sie wissen, dass ich tatsächlich zu intensiven Selbstgesprächen neige. Wenn ich mir jeweils überlegte, was ich mit der G4H in der nächsten Stunde besprechen würde, dann spielten sich in meinem inneren H173 lebhafte Diskussionen ab, in denen Sie Einwände vorbrachten, Fragen stellten und debattierten. So habe ich also des Öfteren ‚mit Ihnen gesprochen, wenn Sie nicht dabei waren.’ Zurück in der sichtbaren Welt und in der realexistierenden Geschichtslektion konnte es dann vorkommen, dass ich Sie auf etwas ansprach, von dem Sie gar nicht wussten, dass wir uns darüber unterhalten hatten – eben in der imaginären Lektion. Verwirrend? Für mich nicht.
Ausserdem finde ich 5 Jahre eine ziemlich lange Zeit, um auf den Bus zu warten. Man könnte sich ja inzwischen die Taschen vollstopfen in dem Warenhaus der Ideen, und soviel wie möglich profitieren, anstatt so wenig wie möglich zu tun. Ok, nicht jederfraus Sache. Aber Achtung! Plötzlich steht der Bus dann da. Nicht verpassen!
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